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Lernort Bibliothek – zwischen Wunsch und Wirklichkeit, Teil 6 Konzept

Kennzeichen des „Lernorts Bibliothek“ – Schein und Sein?

Im vorigen Blog-Beitrag haben wir die Kennzeichen eines zukunftsfähigen Lernortes Bibliothek vorgestellt. Wie sieht es mit der Realität aus? Erfüllen Öffentliche Bibliotheken diese Anforderungen bereits?

Folgen Sie dem Zwiegespräch, das Christiane Ehrig (Stadtbibliothek Münster) und Frank Daniel (Stadtbibliothek Köln) geführt haben:

Nicht-kommerziell und wohnortnah
Der „Lernort Bibliothek“ ist nicht-kommerziell ausgerichtet und somit das Gegengewicht zu kommerziellen Informationsanbietern.
Unbestritten nichtkommerziell. Aber: Bibliotheken bieten nicht alles an was es sonst kostenpflichtig gibt (kein eLearning, keine Portale der Schulbuchverlage; nur wenige Bibliotheken haben kommerzielle Hosts, noch weniger bieten Remote-Zugang zu Datenbanken).

Er eröffnet allen Bürgerinnen und Bürgern den wohnortnahen Zugang zu Informationen und einer anregenden Lernumgebung.
Internet ist wohnortnah! Braucht man überhaupt noch Bibliotheken zur Informationsversorgung? Die meisten Bibliotheken bieten noch gar keine anregende Lernumgebung – ein paar Tische aufzustellen reicht nicht.

Anregend und offen
Der „Lernort Bibliothek“ ist als realer Raum präsent. Er ist ein offener Raum, in dem Menschen mit unterschiedlichen Ideen zusammenkommen. Er bietet die Möglichkeit zur Kommunikation und zum Austausch durch zufällige Begegnungen, geplante Treffen und Veranstaltungen.
Reden die Leute wirklich von selbst miteinander? Wie sehen denn die Aktivitäten aus, die Kommunikation und Austausch befördern? Es wird nur im Rahmen von Veranstaltungen diskutiert, aber das ist kein offenes Forum. Wir brauchen eine informelle Möglichkeit miteinander ins Gespräch zu kommen. Wie könnte ein Forum aussehen?

Er ist ein lebendiger Treffpunkt / Ort innerhalb der und für die Kommune.
Es ist ein belebter Ort – aber ein Treffpunkt? Und: Wollen wir wirklich nur Kneipe oder Kaffeehaus sein? In vielen Bibliotheken gibt es noch nicht einmal etwas zu trinken oder der Cafébereich ist komplett abgetrennt.

Kulturell und bildend
Der „Lernort Bibliothek“ will Kultur und Bildung unter seinem Dach vereinen. Er entwickelt eigene Aktivitäten, um insbesondere die Literatur in den Blickpunkt der Bürgerinnen und Bürger zu rücken.
Er fördert die Lesekultur, indem er neugierig auf alle Formen der Literatur macht und insbesondere für Kinder und Jugendliche Leseförderangebote bereit hält. Es gehört zu seinen Aufgaben, die Schlüsselqualifikation „Lesen“ in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen zu fördern und Freude am Lesen zu vermitteln. Durch seine vielfältigen Literatur- und Leseförderaktivitäten eröffnet er den Zugang zur und den Umgang mit Sprache.

Stimmt – hier deckt sich die Zielvorstellung mit dem was wir bereits tun.

Einladend und kommunikativ
Der „Lernort Bibliothek“ lädt ein, Neues zu entdecken und mit anderen ins Gespräch zu kommen. Neben ruhigen Arbeitszonen bietet er einladende Kommunikationsflächen, in denen man sich bei Kaffee und Snacks erholen kann.
Schon wieder dieses Wunschdenken zum Thema „Kommunikation“: Wie sollen denn die Leute ins Gespräch kommen? Welche Bibliotheken erlaubt es denn, dass die Besucher mit Schokolade und Kaffee neben den Büchern sitzen?

Er ist hell und freundlich gestaltet. Individuelle Arbeitsplätze werden durch Gruppenarbeitsräume ergänzt, wobei die Arbeitsplätze über eine moderne IT- und Technikausstattung verfügen. Er bietet die Möglichkeit, seine individuelle Lernumgebung für einen begrenzten Zeitraum zu buchen.
Wer hat das denn? Wen wollen Sie da hinein lassen – ist das für alle offen? Politische Gruppen? Weltanschauliche Gruppen etc.? An der modernen IT-Ausstattung ist wohl auch noch zu arbeiten…

Freundlich und unterstützend
Im „Lernort Bibliothek“ steht kompetentes Personal zur Verfügung, das die Bibliothekskunden bei ihrer Informationssuche und der Gestaltung ihres Lernprozesses berät und unterstützt.
Kompetent bei den klassischen Aufgaben – vielleicht. Aber meistens bekommen die Kunden doch nur eine Signatur an den Kopf geworfen…..

Er bietet neben individueller Beratung ein breites Schulungsprogramm im Bereich Informationsrecherche und Lernsoftware und trägt auf diese Weise dazu bei, die Informationskompetenz seiner Kunden zu fördern.
„Bei der Gestaltung ihres Lernprozesses berät und unterstützt“ – da möchte ich einen erleben, der das macht… Uns fehlen dafür doch sämtliche Vorkenntnisse. Außerdem wildern wir da in fremden Berufsbildern.

Hierbei arbeitet er mit anderen Institutionen zusammen.
Und bisher arbeiten die meisten Bibliotheken eigentlich nur mit Schulen regelmäßig zusammen – und da oft auch nur bis zur Mittelstufe.

Multimedial und qualifiziert
Der „Lernort Bibliothek“ bietet umfassende und qualifizierte Informationen zum Wissenserwerb. Das Medienangebot bezieht alle Medienformen ein – digital ebenso wie physisch. Der gut erschlossene Medienbestand der Bibliothek wird ergänzt durch externe Informationsquellen.
Das mag für einige Bibliotheken so stimmen – aber ist das für die Mehrzahl realistisch? Exterme Informationsquellen sind doch in der Regel nur das, was man sowieso kostenlos im Internet findet. Wertvolle Quellen sind in der Regel teuer und wenn überhaupt nur in Großstädten lizenziert.

So ermöglicht und unterstützt der Lernort Bibliothek die Organisation von individuellen Informationssammlungen seiner Kunden.
Rein theoretisch könnten Bibliotheken sicherlich solche Lern- und Informations-plattformen aufsetzen. Aber haben sie die Kompetenzen und das Geld, ein attraktives marktfähiges Angebot herzustellen? Sind Verlage (oder Google oder Amazon…) nicht viel eher dazu in der Lage?

Spielerisch und experimentell
Die Welt der PC-Spiele gewinnt einen immer stärkeren Einfluss auf die Gestaltung digitaler Lern- und Informationsangebote. Der Lernort Bibliothek eröffnet die Möglichkeit diese vielfältige Spielewelt in einem geschützten Raum zu erkunden.
Konsolenspiele gibt es in vielen Bibliotheken noch nicht. Meistens kann man die Spiele nur ausleihen – nur in wenigen Ausnahmebibliotheken gibt es medienpädagogische Angebote.

Unterstützt durch qualifiziertes Personal kann der Umgang mit neuen technischen Entwicklungen spielerisch erprobt werden. Auf diese Weise fördert der Lernort Bibliothek die Medienkompetenz der Bibliothekskunden.
Vieles hängt von privatem Interesse des Personals ab, und das ist oft zu alt und hat kein Interesse selbst seine Medienkompetenz in diesem Bereich zu verbessern. – Leser dieses Zwiegespräches selbstverständlich ausgenommen.

Virtuell und gestaltend
Das Internet eröffnet Kommunikation über räumliche und zeitliche Grenzen hinweg. Neue Formen der Kultur- und Wissensvermittlung entstehen.
Einverstanden – aber was ist dabei die Rolle der Bibliothek? Sind kommerzielle Anbieter dabei nicht viel flexibler, schneller und innovativer? Welche Anwendungen haben denn die Öffentlichen Bibliotheken abgesehen von ihrem klassischen Geschäft (OPAC, Fernleihe, bibliogr. Recherche) in der Geschichte des Internets vorangetrieben? Suchmaschinen? Cloudtagging? Soziale Netzwerke? – Alles Fehlanzeige…

Der Lernort Bibliothek ist Teil virtueller Netzwerke und gestaltet diese aktiv mit.
Welche Bibliothekare bewegen sich denn tatsächlich regelmäßig und wie selbstverständlich in den virtuellen Netzwerken?!

Den Projektbibliotheken gab diese Analyse zu denken. Deshalb folgten Sie der Einladung des Landes Nordrhein-Westfalen, das Projekt 2010 fortzusetzen. Welchen Handlungsfeldern man sich zunächst zugewandt hat, lesen Sie in den nächsten Blog-Beiträgen.

Vorherige Beiträge zum Projekt finden Sie hier:
https://oebib.wordpress.com/2010/10/20/lernort-bibliothek-%e2%80%93-zwischen-wunsch-und-wirklichkeit-teil-1/

https://oebib.wordpress.com/2010/10/27/lernort-bibliothek-%e2%80%93-zwischen-wunsch-und-wirklichkeit-teil-2/

https://oebib.wordpress.com/2010/11/03/lernort-bibliothek-%e2%80%93-zwischen-wunsch-und-wirklichkeit-teil-3/

https://oebib.wordpress.com/2010/11/10/lernort-bibliothek-%e2%80%93-zwischen-wunsch-und-wirklichkeit-teil-4/

https://oebib.wordpress.com/2010/11/18/lernort-bibliothek-%e2%80%93-zwischen-wunsch-und-wirklichkeit-teil-5-konzept/